Sonntag, 29. April 2012

Regrets éternels

An manchen Stellen umrankt das Unkraut schon die Votivtäfelchen aus poliertem Marmor, die auf den neueren gräbern stehen und von denen die Mehrzahl nur die knappe Aufschrift Regrets oder
Regrets éternels trägt in sauber geschwungenen, von einer Kinderhand, könnte man meinen, aus einer Schreibvorlage kopierten Buchstaben. Regrets éternels -wie fast alle Formeln, in denen wir unser Mitgefühl mit den von uns Dahingegangenen zum Ausdruck bringen, ist auch dieses nicht ohne Zweideutigkeit, denn nicht nur beschränkt sich die Kundgebung der ewig währenden Untröstlichkeit der Hinterbliebenen auf das absolute Minimum, sondern sie wirkt, wenn man es richtig bedenkt, fast wie ein den Toten nachgesandtes Schuldbekenntnis, wie eine halbherzige Bitte um Nachsicht an diejenigen, die man vor der Zeit unter die Erde gebracht hat.


Aus Campo Santo von W.G. Sebald

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