Samstag, 21. Januar 2012

Chimairia

An einem dieser Abende hätten sie sich, so schreibt Beyle, über das Glück unterhalten. Mme Gherardi habe dabei die Behauptung aufgestellt, dass die Liebe, wie die meisten anderen Segnungen der Zivilisation, eine Chimäre sei, nach der es uns um so mehr verlange, je weiter wir uns entfernten von der Natur. In dem Maße, in dem wir die Natur nur in einem anderen Körper noch suchten, kämen wir ab von ihr, denn die Liebe sei eine Leidenschaft, die ihre Schulden in einer von ihr selbst erfundenen Währung begleiche, ein Scheingeschäft also, das man zu seinem Glück ebensowenig brauche, wie den Apparat zum Zuschneiden der Federkiele, den er, Beyle, sich in Modena gekauft habe.

aus Schwindel. Gefühle von W.G. Sebald

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