Sonntag, 22. November 2009

Die Ferne zu den Anderen...

Die Ferne zu den Anderen, in die uns dieses Bewußtsein rückt,
wird noch einmal größer, wenn uns klar wird, daß unsere äußere
Gestalt den Anderen nicht so erscheint wie den eigenen Augen.
Menschen sieht man nicht wie Häuser, Bäume und Sterne.
Man sieht sie in der Erwartung, ihnen auf bestimmte Weise
begegnen
zu können und sie dadurch zu einem Stück des eigenen
Inneren zu machen. Die Einbildungskraft schneidet sie zurecht, damit
sie zu den eigenen Wünschen und Hoffnungen passen, aber auch so,
daß sich an ihnen die eigenen Ängste und Vorurteile bestätigen können.
Wir gelangen nicht einmal sicher und unvoreingenommen bis zu den
äußeren Konturen eines Anderen. Unterwegs wird der Blick abgelenkt
und getrübt von all den Wünschen und Phantasmen, die uns zu dem besonderen,
unverwechselbaren Menschen machen, der wir sind.

Aus: Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier

the dead city of williamsburg