Sonntag, 29. April 2012

Arca

Diejenigen, die keinerlei Grundbesitz hatten - Hirten, Tagelöhner, italienische Landarbeiter und sonstige Hungerleider -, wurden lange Zeit, wenn sie gestorben waren, einfach in einen Sack eingenäht und in einen Schacht hinuntergeworfen, den man mit einem Deckel verschloß. Ein solches
Gemeinschaftsgrab, in dem die Leichen wahrscheinlich wie Kraut und Rüben durcheinanderlagen, hieß arca und war mancherorts auch ein tür- und fensterloses steinernes Haus, in dessen Innenraum man die Toten hinabstieß durch eine Luke im Dach, welche man erreichte über eine an der Außenmauer hinaufführende Stiege.

Aus Campo Santo von W.G. Sebald

Regrets éternels

An manchen Stellen umrankt das Unkraut schon die Votivtäfelchen aus poliertem Marmor, die auf den neueren gräbern stehen und von denen die Mehrzahl nur die knappe Aufschrift Regrets oder
Regrets éternels trägt in sauber geschwungenen, von einer Kinderhand, könnte man meinen, aus einer Schreibvorlage kopierten Buchstaben. Regrets éternels -wie fast alle Formeln, in denen wir unser Mitgefühl mit den von uns Dahingegangenen zum Ausdruck bringen, ist auch dieses nicht ohne Zweideutigkeit, denn nicht nur beschränkt sich die Kundgebung der ewig währenden Untröstlichkeit der Hinterbliebenen auf das absolute Minimum, sondern sie wirkt, wenn man es richtig bedenkt, fast wie ein den Toten nachgesandtes Schuldbekenntnis, wie eine halbherzige Bitte um Nachsicht an diejenigen, die man vor der Zeit unter die Erde gebracht hat.


Aus Campo Santo von W.G. Sebald

Mittwoch, 25. April 2012

Montag, 16. April 2012