Sonntag, 6. Januar 2013

Mittwoch, 2. Januar 2013

in a blind rage

Zwanghaft imaginierte Feindgruppen wandern in langen Zügen in den Kopf des Paranoikers ein, wo sie ums Leben gebracht und als tote Seelen zu Ornamenten der Macht werden, bis schließlich der "ideale" Machthaber allein "auf einem riesigen Leichenfeld lebend noch steht".

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Der Wahn des Paranoikers und der Anspruch auf Macht leben symbiotisch mit der Ideologie der Zeit und antizipieren süchtig das Ende. Canettis Essay über die archetektonische Wunschwelt, die Speer für Hitler entwarf, beschreibt wie "Baulust und Zerstörung" in der Vorstellung des Paranoikers "nebeneinander akut vorhanden und wirksam" sind. Die Pläne Speers, in die das soziale Leben der Gesellschaft nirgends mit einbezogen wurde, stellen die Kulissen für eine tote Zeit; sie repräsentieren den Sieg der Ideologie, welche im monumentalen Panorama erstarrt. Die Sehnsucht nach totaler Ordnung bedarf nicht des Lebens. Vielmehr ist sie, wie Canetti in seinen Aufzeichnungen bemerkt, ihrem Instinkt nach mörderisch. Das reich als Wüste und die Behausung als Grabmal, in dem der Schöpfer der Ordnung auf ewig in selbstgewählter Pose und absoluter Sicherheit ausruhen darf, erweisen sich als oberste Leitbilder paranoischer Phantasie.

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"Die Strenge der Fachdisziplinen", von der Canetti wenig hält, ahndet Grenzverletzungen und zwingt die Wirklichkeit ins System ihrer Kategorien. Was nicht paßt, wird abgeschnitten. "Nichts soll da leben, wo man es nicht erlaubt hat. Die Ordnung ist eine kleine, selbstgeschaffene Wüste." Das geht. wie wir alle wissen, hinein bis in die Psychopathologie des Alltagslebens. "Arm fühlt sich der Mensch, der kein solches Wüstenreich besitzt, wo er das Recht hat, alles blindwütig zu ersticken."

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Therese beklagt sich: "Jetzt heißt es immer: Alles für die Kinder. Es gibt keine Strenge mehr. Frech sind die Kinder, es ist nicht zum glauben. In der Schule spazieren sie immerwährend und gehen mit dem Lehrer spazieren... Wo hat´s das früher gegeben? Die sollen lieber was arbeiten:" Und der Hausbesorger weiß es am besten: "Das Gesindel wird rasiert! Köpfen wär´gescheiter. Sie fallen zur Last... Und der Staat zahlt... Ich vertilge die Wanzen! Jetzt ist die Katze zu Haus. Die Mäuse gehören ins Loch!" Die Inflexion des Befehls, die Todesdrohung ist unüberhörbar. Wer sich nicht anpaßt, wird von den Stimmen verfolgt, die von den Instanzen der Ordnung ausgehen.

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Es ist unter solchen Aspekten wenig wunder, daß Canetti nur ein geringes Vertrauen in die Leistungskraft der Kunst aufzubringen vermag. Der Egozentrismus des an seinem eigenen Bau bastelnden Künstlers ist ihm suspekt als eine Aktivität, die der Profileration der Systeme noch befördert.

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Im zwanzigsten Jahrhundert verschreibt sich der bürgerliche Künstler ganz dem Mythos der Apokalypse und läßt als ein anderer Pyromane seine eigene Welt in Flammen aufgehen.


Aus Summa Scientiae
       System und Systemkritik bei Elias Canetti
in Die Beschreibung des Unglücks von W.G. Sebald 

A.

Wie Hofmannsthal nicht wußte, wie er zu George sich stellen sollte, so weiß Andreas nicht recht, was von der fatalen Figur des Maltesers zu halten ist, die einen aus der romantischen Literatur vertrauten Typus verkörpert: "mysterious origin, but conjectured to be exalted, traces of burnt-out passions, suspicion of ghastly guilt, melancholy habits, pale face, unforgettable eyes".

Aus   Venezianisches Kryptogramm
          Hofmannsthals Andreas

in Beschreibung des Unglücks von W.G. Sebald

Bis an den Rand

"So wie ich in den Kreis der vornehmen Leute trete, wiederholt sich in mir regelmäßig die Empfindung des Schulknaben, wenn der Direktor, der Pfarrer oder etwa der Bischof vor ihm steht."


Aus   Bis an den Rand der Natur
         Versuch über Stifter

         in Die Beschreibung des Unglücks, W.G. Sebald

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Dienstag, 1. Januar 2013